Welche deiner Rollen fühlt sich leicht an – und welche schwer?

Eine systemische Perspektive auf Belastung, Balance und Veränderung

Jeden Tag schlüpfen wir in verschiedene Rollen – als Partnerin, Kollegin, Mutter, Tochter, Freundin, Zuhörerin, Organisatorin, Problemlöserin. Manche dieser Rollen fühlen sich stimmig an, andere wie eine Last. Doch warum empfinden wir einige Rollen als leicht und andere als schwer? Und was würde sich verändern, wenn wir sie bewusst hinterfragen?

Die unsichtbare Last unserer Rollen

Rollen entstehen in einem Beziehungsgefüge. Sie existieren nicht für sich allein, sondern stehen in Verbindung zu anderen Menschen, zu deren Erwartungen und zu unseren eigenen Mustern. Manchmal nehmen wir Rollen ganz selbstverständlich an – weil wir sie schon immer gespielt haben, weil wir glauben, dass sie von uns erwartet werden oder weil sie uns in der Vergangenheit Sicherheit gegeben haben.

Vielleicht fühlt sich die Rolle der Zuhörerin für deine Freunde leicht an, weil du intuitiv spürst, was andere brauchen. Doch wenn du diese Rolle unbewusst übernommen hast, könnte sie mit der Zeit schwer werden – zum Beispiel dann, wenn du feststellst, dass du selten selbst erzählst oder dass du dich verpflichtet fühlst, immer verfügbar zu sein.

Oder du liebst deine Arbeit, aber die Rolle, die du dort spielst, wird mit Erwartungen aufgeladen, die dich belasten. Bist du die Kollegin, die immer einspringt, wenn andere Hilfe brauchen? Diejenige, die alles im Blick hat? Oder diejenige, die sich zurücknimmt, um keinen Konflikt auszulösen?

Wenn eine Rolle schwer wird, ist sie dann an sich zu schwer – oder wird sie durch das Beziehungsgeflecht, in das sie eingebettet ist, belastend? Und wenn sie nicht nur von dir abhängt: Welche unbewussten Erwartungen verstärken ihre Schwere?

Leichtigkeit und Schwere – eine systemische Betrachtung

In der systemischen Arbeit betrachten wir Rollen nicht als starre Identitäten, sondern als dynamische Wechselwirkungen in einem System. Eine Rolle fühlt sich oft dann schwer an, wenn sie keine Flexibilität mehr zulässt. Wenn du die gleiche Rolle immer wieder einnimmst, ohne Alternativen zu haben, wenn du das Gefühl hast, dass sich niemand sonst zuständig fühlt, wenn es unausgesprochene Regeln gibt, die du einhältst, ohne sie zu hinterfragen.

Und umgekehrt: Eine Rolle fühlt sich leicht an, wenn sie Wahlmöglichkeiten zulässt, wenn sie in einem ausgewogenen Geben und Nehmen steht, wenn du sie bewusst gestaltest und nicht nur „hineinfällst“. Aber kannst du wirklich selbst entscheiden, welche Rolle sich leicht oder schwer anfühlt? Oder braucht es dazu auch ein Gegenüber, das bereit ist, deine Veränderung mitzutragen?

Eine systemische Übung zur Rollenreflexion

Stell dir vor, deine Rollen sind nicht nur in dir, sondern in einem Kreis um dich herum angeordnet. Welche Rollen sind so präsent, dass sie den Raum einnehmen, und welche sind im Hintergrund? Wenn du diesen Kreis leicht verschieben könntest – welche Rollen würdest du näher zu dir heranholen, welche dürften ein Stück weiter wegrücken?

Jetzt wechsle die Perspektive. Stell dir vor, du betrachtest dein Leben aus der Sicht eines anderen Menschen, der dich gut kennt. Welche Rolle würde er oder sie als deine Hauptrolle beschreiben? Und welche Rolle sieht vielleicht ganz anders aus, als du sie selbst wahrnimmst?

Gibt es jemanden, der dich in einer bestimmten Rolle „festhält“, sei es durch Erwartungen, durch Gewohnheiten oder durch ein unausgesprochenes Bedürfnis? Und was würde passieren, wenn du in einem bestimmten Moment anders reagieren würdest als gewohnt – wenn du eine Rolle für einen Moment loslassen würdest?

Wie kannst du dich von belastenden Rollen lösen?

Eine Rolle, die schwer geworden ist, lässt sich nicht einfach ablegen, als wäre sie ein Mantel, den du ausziehst. Sie ist in ein System eingebunden. Doch sie lässt sich verändern, wenn du ihre Funktion verstehst.

Wenn du eine Rolle loslassen möchtest, ohne das gesamte Beziehungsgefüge zu hinterfragen, könnte es sein, dass jemand anders sie übernimmt – oder dass ein Vakuum entsteht, das sich unangenehm anfühlt. Vielleicht liegt die Lösung nicht darin, die Rolle abrupt abzulegen, sondern darin, sie schrittweise zu verändern, neue Elemente hinzuzufügen, ihre Grenzen zu verschieben.

Vielleicht merkst du auch, dass eine Rolle nur dann schwer ist, wenn du sie alleine trägst. Was würde sich verändern, wenn du einen Teil davon an jemand anderen abgibst? Wenn du sagst: „Ich muss nicht immer die sein, die das regelt“ – wer würde sich angesprochen fühlen? Und wenn du erkennst, dass eine Rolle dich stabilisiert, auch wenn sie anstrengend ist – was würde passieren, wenn du sie veränderst? Welche Dynamiken würden ins Wanken geraten, und welche neue Balance könnte entstehen?

Fazit: Rollen sind beweglich – du auch?

Systemisch betrachtet, gibt es keine isolierten Rollen, sondern nur Rollen in Wechselwirkung. Wenn eine Rolle schwer geworden ist, bedeutet das, dass irgendwo ein Ungleichgewicht entstanden ist. Doch was sich verändert, wenn du an deiner Rolle arbeitest, hängt nicht nur von dir ab – sondern auch davon, wie dein Umfeld darauf reagiert.

Deshalb geht es nicht nur darum, sich von einer Rolle zu „befreien“, sondern auch darum, das gesamte System mitzudenken: Was wird möglich, wenn du dich bewegst? Wer könnte dich in einer neuen Rolle erleben? Welche Dynamiken geraten in Bewegung – und welche Rolle fühlt sich plötzlich wieder leicht an?

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