Glaubenssätze und Lebensrollen: Wie sie unser Leben bestimmen – und wie wir sie verändern können
Jeder Mensch bewegt sich in einem Netz aus Rollen – sei es als Partner:in, Elternteil, Kolleg:in, Freund:in oder Unterstützer:in. Manche dieser Rollen fühlen sich natürlich und leicht an, andere dagegen einengend oder anstrengend. Doch warum bleiben wir oft in Rollen hängen, die uns eigentlich nicht guttun? Eine Antwort darauf liegt in unseren Glaubenssätzen.
Glaubenssätze sind tief verankerte Überzeugungen über uns selbst, über andere und über die Welt. Sie entstehen früh in unserem Leben und prägen, wie wir uns selbst sehen und welche Rolle wir in unseren Beziehungen übernehmen. Die systemische Arbeit hilft, diese Glaubenssätze sichtbar zu machen und neue Perspektiven zu eröffnen.
Was sind Glaubenssätze – und warum beeinflussen sie unser Verhalten?
Glaubenssätze entstehen oft in der Kindheit und sind das Ergebnis unserer Erfahrungen, Erziehung und sozialer Prägung. Sie sind tief in unserem Denken verankert und wirken meist unbewusst. Manche Glaubenssätze sind förderlich, weil sie uns Sicherheit und Orientierung geben. Andere können uns jedoch begrenzen und unbewusst in bestimmte Rollen drängen.
Wenn jemand zum Beispiel glaubt, immer stark sein zu müssen, übernimmt er oft automatisch die Rolle des Problemlösers oder Beschützers, auch wenn es ihn erschöpft. Wer denkt, nur durch Leistung wertvoll zu sein, landet schnell in der Rolle des Perfektionisten und findet nur schwer Ruhe. Die Überzeugung, für Harmonie sorgen zu müssen, führt dazu, sich selbst zurückzunehmen und andere zufriedenzustellen, selbst wenn es auf eigene Kosten geht.
Wie Glaubenssätze unsere Lebensrollen formen
Systemisch betrachtet sind Glaubenssätze keine isolierten Gedanken, sondern Teil eines größeren Systems. Sie wirken nicht nur in uns, sondern auch in unseren Beziehungen. Wer immer für andere da ist, wird in seinem Umfeld oft genau in dieser Rolle gesehen. Sobald sich jemand aus einer gewohnten Rolle herausbewegt, kann das System darauf reagieren, indem es versucht, ihn wieder in die alte Position zurückzudrängen.
Das kann Widerstände auslösen – sowohl in der Person selbst als auch in ihrem Umfeld. Genau deshalb fühlt sich Veränderung manchmal so schwer an. Wenn aber klar ist, dass nicht nur das eigene Denken, sondern auch die Reaktionen des Umfelds eine Rolle spielen, kann der Prozess bewusster gestaltet werden. Glaubenssätze sind oft so tief verankert, dass sie sich nicht einfach „wegdenken“ lassen. Statt gegen sie anzukämpfen, nutzt die systemische Arbeit verschiedene Methoden, um sie neu zu hinterfragen und umzudeuten.
Reframing: Die Bedeutung eines Glaubenssatzes verändern
Anstatt sich von dem Satz „Ich muss stark sein“ erdrücken zu lassen, könnte man ihn umdeuten in „Wahre Stärke liegt auch darin, Schwäche zuzulassen“. Wer glaubt, nur durch Leistung wertvoll zu sein, könnte sich fragen, ob Wert nicht auch darin liegen kann, einfach zu sein – unabhängig von Produktivität.
Ausnahmen finden: Wann war der Glaubenssatz nicht da?
Oft nehmen wir unsere Glaubenssätze als absolute Wahrheiten wahr, doch meist gibt es Momente, in denen sie nicht zutreffen. Wann war ein Mensch, der sich immer als zu vorsichtig empfindet, mutig? Wann hat jemand, der glaubt, immer für andere da sein zu müssen, sich selbst an erste Stelle gesetzt? Solche Ausnahmen machen deutlich, dass der Glaubenssatz nicht unumstößlich ist – und dass Veränderung möglich ist.
Paradoxe Interventionen: Den Glaubenssatz spielerisch übertreiben
Manchmal hilft es, den Glaubenssatz bewusst ins Extreme zu führen, um seine Absurdität sichtbar zu machen. Wer denkt, immer für andere da sein zu müssen, könnte sich einmal vorstellen, ab sofort niemandem mehr zu helfen. Wer sich für perfektionistisch hält, könnte sich vornehmen, heute absichtlich fünf Fehler zu machen. Oft zeigt sich dabei, dass der Glaubenssatz viel weniger unumstößlich ist als gedacht.
Wie du deine Glaubenssätze neu definierst und deine Rolle selbst bestimmst
Veränderung beginnt damit, dass man sich bewusst macht, welche Glaubenssätze die eigenen Lebensrollen prägen – und ob sie heute noch dienlich sind. Die systemische Arbeit hilft dabei, neue Perspektiven zu finden, Blockaden zu lösen und Alternativen auszuprobieren.
Vielleicht ist es nicht nötig, eine alte Überzeugung sofort loszulassen, sondern es genügt, eine neue Facette auszuprobieren. Wer sich immer für den Harmoniebringer hält, kann einmal bewusst ausprobieren, eine andere Meinung zu vertreten. Wer denkt, immer perfekt sein zu müssen, kann sich erlauben, unvollkommen zu sein und beobachten, was passiert.
Fazit: Glaubenssätze sind nicht in Stein gemeißelt
Glaubenssätze sind wie unsichtbare Regeln, die unsere Lebensrollen formen – doch sie sind nicht unveränderlich. Sie entstanden in einem bestimmten Kontext und können auch verändert werden. Die systemische Arbeit hilft dabei, diese Muster zu erkennen und bewusst zu hinterfragen.
Anstatt sich von alten Rollen und Überzeugungen bestimmen zu lassen, entsteht so die Möglichkeit, flexibler zu werden und den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern. Welche Überzeugung über dich selbst möchtest du heute einmal neu betrachten?